Remote vs. analoge Workshops
Von zuhause aus arbeiten, sich virtuell mit Freunden treffen und Online-Vorträge besuchen – daran haben wir uns mittlerweile längst gewöhnt. Aber wie sieht es mit Workshops aus, bei denen die TeilnehmerInnen selbst aktiv werden sollen?
Folgendes Szenario: 70% eines Teams sitzt am Firmenstandort Wien und der Rest verteilt sich auf Portugal, die USA und Indien. Dein Auftrag: Einen Strategieprozess im Rahmen eines Workshops anzuleiten. Ist das überhaupt möglich?
Ja klar, gerade durch die aktuelle Corona-Thematik wird das Thema remote facilitation ein immer wichtigeres. Meine Aufgabe sehe ich demnach darin, meine Arbeit auch dahingehend immer weiter zu professionalisieren. Videokonferenzen und eine virtuelle Zusammenarbeit mittels diverser Online Collaboration Tools gehörten ja auch bereits vor Corona zu meiner Arbeit. Was sich geändert hat ist, dass Unternehmen jetzt vermehrt mit der Frage herantreten, ob ich denn auch komplette Workshops remote mit ihnen durchführen kann. Meine klare Antwort in so einem Fall: Ja, natürlich.
Wie kann man sich das konkret vorstellen? Laptop aufklappen und los geht’s?
Naja, eine gewisse Vorbereitung meinerseits muss natürlich schon sein. Im Schnitt braucht man für die Vorbereitung eines Online-Workshops sogar mindestens doppelt so lange, wie bei einem Offline-Workshop. Ganz einfach deswegen, weil man online gewisse Dinge nicht immer ad hoc umsetzen kann, ohne sie vorher zu planen. Auf ein Flipchart kann man schnell mal was schreiben, aber wenn man ein extra Tool dafür öffnen muss, braucht allein das schon mehr Zeit. Wichtig ist natürlich auch, sicherzustellen, dass die TeilnehmerInnen in den verwendeten Tools einigermaßen fit sind. Das heißt, man muss auch eine gewisse Einarbeitungsphase oder Zeit für Aufwärmübungen einkalkulieren.
Kürzere Einheiten, aufgeteilt auf mehrere Tage, ermöglichen es, zwischen den Sessions noch Dinge umzuplanen und den Bedürfnissen der Gruppe anzupassen.
Welche Rahmenbedingungen sind noch wichtig?
Entscheidend ist, dass man Tools hat, die auch Kleingruppen ermöglichen. Ein Workshop lebt davon, dass die TeilnehmerInnen selbst aktiv werden und sich untereinander austauschen können – im real life genauso wie online. Da gibt es zum Glück Tools, mit denen man auf Knopfdruck Zweierteams oder Gruppen bilden kann. Und nach z.B. fünf Minuten Besprechungszeit, können die einzelnen Teams dann die Kernthemen ihrer Besprechung mit der gesamten Gruppe teilen, bevor alle wieder in das ursprüngliche Setting zurückkehren.
Und das funktioniert?
Ja tatsächlich sehr gut! Workshops, die komplett remote stattfinden funktionieren sogar besser als solche, bei denen zum Beispiel nur ein Teil der Gruppe remote zugeschalten wird. Denn so herrschen dieselbe Ausgangsbedingungen für alle Beteiligten. Ansonsten entwickelt sich bei den Personen, die gemeinsam in einem Raum sind, schnell eine Eigendynamik, während die externen Leute mehr und mehr wegbrechen.
Stichwort Dynamik: Inwiefern unterscheidet sie sich im analogen und virtuellen Modus?
Bei einem Offline-Workshop ergibt sich die Gruppendynamik natürlich ganz anders und zum Teil auch von selbst. Online kann man viel genauer steuern, wer wann redet, alles ist sehr strukturiert, während offline auch mal spontan Themen aufkommen, auf die man dann dementsprechend ad hoc reagiert. Die Schwierigkeit liegt dann eher auf meiner Seite, weil ich die Gruppe nicht so leicht „lesen“ kann – die ganze Energie im Raum, der Vibe, der normalerweise spürbar ist, fällt online natürlich weg.
Welche Herausforderungen lauern sonst noch bei der remote facilitation?
Kurz und knapp: Wenn die Technik versagt, ist’s ein Schmarrn. Mit dem steht und fällt einfach alles. Schlechte Audioqualität kann zum Beispiel sehr anstrengend sein. Generell ermüdet man bei Online-Workshops auch schneller, weshalb ich die Einheiten deutlich kürzer halte und sie dafür zum Beispiel über mehrere Tage hinweg verteile.
Okay, aber es gibt doch bestimmt auch Punkte, bei dem Online-Workshops ihren analogen Pendants überlegen sind, oder?
Genau, gerade diese kürzeren Einheiten, aufgeteilt auf mehrere Tage, ermöglichen es, zwischen den Sessions noch Dinge umzuplanen und den Bedürfnissen der Gruppe anzupassen. Ein analoger Workshop dauert in der Regel einen halben bis ganzen Tag, oder auch mal zwei Tage. Da steht das Programm von vornherein recht fix fest. Cool ist zum Beispiel auch, dass die Dokumentation quasi parallel passiert. Ein weiterer großer Vorteil: Man spart sich die Reisekosten und kann, wenn man möchte, mehr Sessions für das gleiche Geld machen.
Gibt es eigentlich Problemstellungen und Themen, die sich für remote Workshops besonders gut oder eher weniger gut eignen?
Ich glaube, Themen wie Prozessentwicklung geht online sogar besser, weil man die Leute viel leichter ins Visualisieren bringen kann bzw. auch muss. Sehr gut funktionieren auch Strategieentwicklung, also Unternehmensstrategie, oder auch Formate wie fünftägige Design-Sprints: Am ersten Tag widmen wir uns der Problemstellung, am zweiten Tag geht’s in die Ideenfindung, am dritten Tag werden Entscheidungen getroffen, am vierten Tag steht Prototyping am Programm und den fünften Tag nutzen wir fürs Testen. Was hingegen eher schwieriger ist, sind Themen wie Teambuilding, da so etwas davon lebt, dass man wirklich längere Zeit gemeinsam verbringt. Grundsätzlich gibt es für mich auf die Frage nach dem „Was funktioniert besser oder schlechter?” keine endgültige Antwort. Oft stellt man mir auch die Frage, ob meine Offline-Workshops denn gleich seien, wie meine Offline-Workshops. Nein, das sind sie nicht. Da ist es glaub ich wichtig festzuhalten, dass man remote eigentlich gar nicht mit analog vergleichen kann – es sind einfach zwei unterschiedliche Zugänge, die beide auf ihre Weise funktionieren.